#artbookfriday | Die Welt ist bunt! Und ein Haufen Fragen…

Es gibt vier Bücher, die ich in den letzten 12 Monaten gelesen habe, die mir im Gedächtnis hängen geblieben sind und ich habe lange überlegt, ob ich darüber bloggen soll, denn mit Kultur/Kunst haben sie im eigentlichen Sinne wenig zu tun. Aber sie liegen mir doch am Herzen und in Zeiten wie diesen muss ich immer und immer wieder an diese Bücher denken…

Im vergangenen Jahr war ich auf der Buchmesse in Frankfurt, auf dem Rückweg lernte ich gleich zwei Autoren im Zug kennen und es war die kurzweiligste Zugfahrt meines Lebens. Natürlich musste ich im Anschluss an diese wunderbare Zugfahrt die Bücher der beiden Autoren lesen. Außerdem erschien im vergangen Jahr das erste Buch von Juna Grossmann, hin und wieder lese ich ihren Blog, aber „kennengelernt“ habe ich sie via Twitter und auf Konferenzen im Museumskontext dann endlich persönlich. Ihr Buch war also für mich eine Pflichtlektüre. Zu meinem Geburtstag im Sommer diesen Jahres habe ich mir genau ein Buch gewünscht, es ist von Saša Stanišić und als ich es binnen kürzester Zeit durchgelesen hatte, wußte ich sofort, wer den Deutschen Buchpreis gewinnen würde.

• „Buntland“ von Oliver Lück
• „Hotel Dellbrück“ von Michael Göring
• „Schonzeit vorbei: Über das Leben mit dem täglichen Antisemitismus“ von Juna Grossmann
• „Herkunft“ von Saša Stanišić

Als ich all diese Bücher gelesen hatte, habe ich mich gefragt, wo sich der rote Faden herschlingelt und ob es ihn überhaupt gibt. Ich komme immer wieder zu dem Schluss, ja den gibt es, aber ihn genau zu bezeichnen und zu beschreiben fällt mir schwer. Es ist ein Bauchgefühl. Ich denke, in Anlehnung an Olivers Buch, dass diese Bücher und Handlungen allesamt zeigen, dass die Welt ein ziemlich bunter Ort ist und für Hass und Antisemitismus kein Platz sein sollte und darf. Jeder kann von heute auf morgen sein Zuhause verlieren, muss flüchten und sucht eine sichere Unterkunft. Diese Welt hat für Hass und Antisemitismus keinen Platz, diese Welt ist bunt – eben eine Buntwelt!

Dass Deutschland durchaus ein skurriles „Buntland“ sein kann, zeigt Oliver Lück. Er stellt verschiedene Menschen und ihre Lebensgeschichten vor, die ein oder andere handelt dabei auch von Flucht – nach Deutschland, aber auch weg von Deutschland. Die Gründe sind ganz unterschiedlich.

Die fiktive Geschichte um das „Hotel Dellbrück“ musste ich allein schon wegen meiner Geburtsstadt „Lippstadt“ lesen. (Geburtsstadt, Herkunft, Heimat… was bedeutet das eigentlich, wie wichtig ist das – in Zeiten wie diesen?) Auf den letzten 100 Seiten des Buches hat mich die Geschichte eines jüdischen Jungen, der zur eigenen Sicherheit nach England geschickt wurde, gefesselt. Denn er kam nach dem Krieg zurück nach Deutschland und ich fragte mich, wie mag es wohl den Juden ergangen sein, die dann zurückkehrten, wenn sie es überhaupt taten, und warum? Das Buch warf in mir viele Fragen auf, die ich bis heute nicht wirklich beantworten kann und ich eigentlich mit der lieben Juna ausdiskutieren würde.

Ihr Erstlingswerk „Schonzeit vorbei: Über das Leben mit dem täglichen Antisemitismus“ setzt Juna Grossmann dort an, wo eine meiner unzähligen Fragen enden, wie sieht das Leben von Juden in unserer hiesigen Gesellschaft eigentlich aus? Ich habe mich immer gefragt, ob ich wirklich niemanden kenne, der den jüdischen Glauben praktiziert, dem ich mal ein paar Fragen stellen könnte oder ob ich blind bin oder für mich Glaube, Religion, Riten etc. im Alltag keine große Rolle spielen, weil es privat ist. Oder ob der jüdische Alltag gar nicht groß in meinem bisherigen Umfeld thematisiert und/oder praktiziert worden ist, weil… tja… weil ich niemanden kenne oder es niemand laut sagt, weil es noch immer Hass gegen Juden gibt? Aber warum? Das ist doch völliger Irrsinn! Mich hat das Buch von Juna Grossmann bereichert, es gab Stellen im Buch, da dachte ich erst, „oh das Thema kenne ich aus dem Museum“ und im nächsten Moment dachte ich, dass ich das Thema in der Dimension wie Juna es erlebt hat, vielleicht doch nicht kenne und es eine ganz andere „Qualität“ in ihrer Welt besitzt (als Beispiel sei hier die ewige Handtaschendiskussion im Museum angemerkt).

Der eigentliche Beweggrund mal ein Buch von Saša Stanišić zu lesen war sein Humor. Klingt jetzt vielleicht seltsam, denn mit Humor verbindet man diesen Autoren vielleicht nicht zu erst – oder doch? Seine Tweets sind meist kurzweilig und auch da „lief“ er mir quasi schon beruflich via Twitter im Altonaer Museum über den Weg. Aber welcher Autor schreibt schon eine Abiklausur über seinen eigenen Text mit??? Das fand ich sehr sympathisch und witzig. Grund genug für mich, etwas von ihm lesen zu wollen. „Herkunft“ heißt sein neues Meisterwerk. Flucht, Heimat, Familie, Ankommen oder auch nicht sind ein paar Schlagworte, die das Buch kennzeichnen. Ich will gar keine ausführliche Rezension über dieses Buch schreiben, das machen gerade schon so viele andere.
Wie relevant ist die Herkunft oder Heimat? Was bedeutet das? Wo ist das? Ist es der Geburtsort? Oder vielleicht doch etwas anderes?

Es sind oftmals die Fragen, die sich mir beim Lesen stellen, die den roten Faden kennezichnen. Einige Fragen tauchen immer wieder auf. Was bedeutet Flucht? Ist es Sicherheit? Oder nur das Überleben? Was bedeutet Heimat? Kann man mehrere Heimat haben? (Im deutschen gibt es für dieses Wort gar keinen Plural. Sagt auch schon alles aus. Aber warum?)

Ich werde diese vier Bücher wohl noch oft in meinen Gedanken wälzen und viel darüber nachdenken. Für mich sind sie ein hervorragendes Quartett gewesen, jedes Buch hat meine Gedanken und meinen Horizont ein wenig erweitert und ich war froh, sie alle gelesen zu haben. Und dann gibt es Tage wie den 9. Oktober 2019 in Halle und ich frage mich….

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