Totale Ungewissheit
Völlig unvorbereitet war ich gestern im Theater. Ich gebe zu, das passiert selten. Normalerweise lese ich das entsprechende Buch zum Theaterstück, damit ich weiß, was mich erwartet. Wenn ich das nicht mehr schaffe, dann lese ich mir zumindest den Wiki-Artikel zum Stück durch. Gestern habe ich weder das Buch noch den Wiki-Artikel gelesen und ja ich war ziemlich unvorbereitet.
Im Thalia
Es handelte sich um die „Dreigroschenoper“. Jetzt höre ich schon ein innerliches Aufstöhnen von Euch, gefolgt von Gedanken „Wie kann man das Stück nicht kennen“… etc. Kennt Ihr alle Bücher von Adalbert Stifter? Ich hab sie alle gelesen und von Max Frisch auch. Ich setze Schwerpunkte. Gestern wurde ich gefragt, von wem das Stück sei und ich konnte immerhin gut raten und antwortete leicht fragend „Brecht?“. Wenigstens damit lag ich richtig.
Wir schauten uns zu viert das Stück im Thalia Theater an. Mein letzter Besuch bei Thalia liegt mit Sicherheit schon ein Jahr zurück und offensichtlich habe ich auch nicht darüber gebloggt. Ich erinnerte mich lediglich an halbnackte Menschen, Live-Musik und Zigaretten, die auf der Bühne geraucht wurden (scheint sowieso total hipp im Theater zu sein). Diese total unwichtigen Erinnerungen hielten alle bei der Stange, denn als es nach 1,5 Stunden hieß „Pause“ guckte ich ein wenig ungläubig meine liebe Sitznachbarin an, die sich köstlich darüber amüsierte. „Wie lang soll das Stück denn noch gehen?“ Ihre Antwort lautet: „3 Stunden und 5 Minuten dauert es insgesamt, wir haben Halbzeit.“
Die zweite Hälfte, 2. Hälfte 2. Akt und 3. Akt, plätscherte weiter vor sich hin. Es wurden weiter Zigarren geraucht, dabei ich saß ich schon ziemlich weit hinten und es ging auf den Keks. Die Gesangseinlagen der Darsteller waren von der Qualität sehr unterschiedlich. Die Schauspielerin, die Celia Peachum verkörperte – Victoria Trauttmansdorff, sei hier besonders erwähnt. Sie hat gesanglich das Stück gerettet. Die schwächste Stimme hatte leider die Hauptdarstellerin Katharina Marie Schubert, die die Polly Peachum verkörperte. Ich gebe ja zu, zur Rolle passte diese Stimme, aber es war auch sehr anstrengend ihr zu folgen. Bei den Gesangseinlagen von Polly drifteten meine Gedanken ab und ich musste mich häufiger mal zusammenreißen, um der Handlung zu folgen.
Hätte ich vorher mal den Wiki-Artikel gelesen, hätte ich dort folgende interessante Information gefunden:
Die Dreigroschenoper ist – trotz des Namens, der an die Vorlage angelehnt ist – keine durchkomponierte Oper im engeren Sinn, sondern ein politisch engagiertes Theaterstück mit 22 abgeschlossenen Gesangsnummern, für die keine Opernsänger benötigt werden, sondern singende Schauspieler.
Zur Handlung (Achtung Spoiler-Alarm)
Das Stück spielt in London, Soho 1928. Thema ist Korruption, Kriminalität, Erpressung etc. Der Chef der Bettlerfirma, Jonathan Peachum, hat eine Tochter, Polly. Jonathan schickt Bettler auf die Straße und kassiert selbst mit ab. (Kein unbekanntes Modell, wenn man mal in viele Städte guckt.) Die Tochter Polly verliebt sich in den Gangsterboss Mackie Messer, seine Spezialitäten sind Raub und Mord. Genau diesen charmanten Kerl heiratet sie. Wie sich herausstellt ist sie damit Ehefrau Nummer 3. Das Drama nimmt seinen Lauf. Mackie wird von den Huren verraten und von der Polizei geschnappt. Er sitzt in der Todeszelle. Seine letzte Stunde hat geschlagen. Doch kurz vor der Hinrichtung kommt ein königlicher Bote mit der Begnadigung, zudem wird Mackie in den Adel gehoben. Der Witz an dieser Szenerie war, dass auf der Bühne tatsächlich ein Pferd stand. Alle von uns waren plötzlich wieder wach. Passend zum Ende.
Fazit: Vorher das Stück lesen kann hilfreich sein. Aber einmal im Jahr kann sollte man sich das Thalia-Theater reinziehen.
Persönliches Fazit: Ich glaub, ich mag die Staatsoper lieber. Ich stehe total auf üppige Bühnenbilder, die bei den fancy neumodischen Inszenierungen oft nicht gegeben sind oder so abstrakt sind, dass mein Vorstellungsmögen sich dagegen sträubt.
Wer gescheite Blogbeiträge zu Theaterbesuchen oder Theaterkritiken lesen möchte, dem lege ich den Blog der lieben Martina ans Herz:
Kultur in und um Hamburg.
Moin Wera!
Ich bin großer Fan von der Dreigroschenoper und ich weiß nicht wie oft ich das Stück schon gesehen habe! Und nun bin ich froh das ich deine Kritik gelesen habe, denn ich habe nichts verpasst. Schlechte Gesangsstimmem würde mir die Freude nehmen! Das Thalia-Theater ist bekannt für seine besonderen Auslegungen von Theaterstücken, aber Rauchen (obwohl ich selbst Raucherin bin) stört mich sehr! Also warte ich auf eine neue Interpretation meines Lieblingstückes und summe vor mich hin:
„Und der Haifisch, der hat Zähne,und die trägt er im Gesicht“
Beste Grüße,
Kirsten
Liebe Kirsten,
ja, die besondere Auslegung war mir bekannt. Ich glaube, ich habe letztes Jahr „Die Räuber“ dort gesehen. Das fand ich echt gut. Das lag aber in erster Linie an der guten Musik. In Anbetracht der Tatsache, dass man für dieses Stück keine Opernsänger benötigt (laut Wiki), war ich ein wenig überrascht. Gut, hätte ich mir das vorher mal durchgelesen, wäre ich wohl nicht so überrascht gewesen. – Aber Rauch stört mich mittlerweile sehr, inbesondere Zigarre. Das ist schon sehr intensiv und es gab gefühlt, keine Szene, wo nicht geraucht wurde. Das interessante ist, hätte man es weggelassen, hätte es die Handlung nicht verändert, es unterstrich meines Erachtens auch nichts, außer um vielleicht eine vergangene Zeit aufzuzeigen, wo deutlich mehr Zigarren geraucht wurden. Aber ist das wirklich notwendig? Bei Thalia? Geschmackssache.
Dass Du die Lieder kennst, beeindruckt mich jetzt sehr. Ok,Du kennst das Stück definitiv und wir mir scheint in- und auswendig. Mir haben die Lieder nichts gesagt. ;D Ich bin echt ein Theaterbanause. 😉
Ich war mal wieder in einem Theater, ich mag auch Theaterbesuche, und um das Wochenendprogramm abzurunden, gehe ich gleich noch ins Museum. Da bin ich ja so selten. 😉
Liebe Grüße
Wera