Die spontansten Ideen sind doch meist die besten. Als ich die Rezension zum U2 Konzert in Hamburg las, war ich ein klein wenig niedergeschlagen. Mein erster Gedanke war, „verdammt, schon wieder ein Konzert einer fantastischen Band verpasst, die es nicht ewig geben wird“. Immerhin ist Bono schon geschmeidige 58. Wie ich am Frühstückstisch saß, den Artikel las, wurde ich wehmütig. Ich sollte häufiger auf Konzerte gehen, war mein gedankliches Fazit.
Welches sind die wichtigsten Künstler/Musiker, die man noch unbedingt sehen sollte, so lange sie noch leben?
Diese Frage stelle ich mir regelmäßig und versuche die Liste ganz langsam abzuarbeiten. U2 gehören definitiv dazu und standen bei mir im oberen Drittel auf der Liste. Manchmal ist es aber auch zu spät und so werde ich zum Beispiel Michael Jackson nie mehr live erleben können. Damit mir das nicht so oft passiert, schaue ich mir hin und wieder die Konzertankündigungen an und so suchte ich an diesem Morgen nach weiteren Konzerten von U2. Ich wurde bei meiner kleinen Recherche sehr überrascht, es gab nämlich ein zweites Konzert von den Rockern in Hamburg – just am selben Abend und es gab noch Karten im normalen Verkauf! Wahnsinn! Kurz nachgedacht, die beste Hamburger Freundin für bekloppte spontane Ideen kontaktiert und schon waren die Karten gekauft.
Beim Betreten der Arena sah man schon, dass die Bühne sehr originell war, von allen Seiten konnte sie eingesehen werden und ein riesiges Konstrukt, was hoch- und runterfahren konnte, dienten als Kulisse und Projektionsfläche für Videos. Es war wirklich gigantisch. Wir hatten die besten Plätze und konnten sehen, als die Band die Halle betrat – sie wurde frenetisch gefeiert!
Es war ein waschechtes Rockkonzert, mal laut, mal leise und mit einer so vertrauten Stimme, die einen schon gefühlt ewig begleitet. Die Bühnentechnik war der Hammer: riesige halbtransparente Leinwände (vermutlich aus Gaze-Stoff), die ebenfalls hoch- und runterfahren konnten, waren ein wesentliches Element der Show. Sie lenkten jedoch nicht ab, sondern ergänzten das musikalische Können und die einzigartige Stimme von Bono. Ich war wirklich überrascht, wie gut Bono live singt. Seine Stimme hat zu keiner Zeit an Kraft und Energie verloren. Dies wurde insbesondere bei den ruhigen langsameren Liedern deutlich, es war fantastisch und ein echter Ohrenschmaus.
Ähnlich wie bei anderen Superstars gab es auch hier Videobotschaften mit einem politischen Statement. In Zeiten, wo sich immer mehr Menschen auf der Flucht befinden, die rechten Lager mehr und mehr zunehmen und Diktatoren Zuspruch finden, tat das Konzert richtig gut. Schlüsselbotenschaften wie “dictators die” und “the power they took from the people return to the people” wurden vermehrt projiziert, aber bei Konzerten dieser Art immer wirkungsvoll und gigantisch inszeniert. Es war ein Konzert pro Europa, pro Diversität, pro Gleichstellung, ein Rückblick in die Geschichte – von Europa und von U2, einer irischen Band, die einen kleinen politischen Rundumschlag gemacht hat.
We loved it before unification and we loved it even more after… the rest of Europe is in awe of this country don’t you forget it. (Bono)
Ich bin mir nicht immer so sicher, ob man vor diesem Land so viel Ehrfurcht haben sollte, dafür läuft doch einiges schief. Es ist vermutlich das falsche Wort. Aber man darf mit Sicherheit dankbar sein, in diesem Land zu leben und nach so einem Konzert ist die Euphorie groß und man weiß Demokratie, Frieden und dieses Leben hier sehr zu schätzen und dass dies hart erkämpf wurde und sich nicht von allein weiterträgt, sondern man aktiv daran arbeiten muss, dass es so bleibt. Umso spannender finde ich immer wieder den Blick von nicht Deutschen auf unser Land. Bono spielte besonders auf die Wiedervereinigung an und dass sie damals in Berlin gewesen seien, um dort Inspiration zu finden. Ob dieses Land noch immer als Inspirationsquelle dient? Es liegt an uns…
Diesen Beitrag widme ich der Blogparade #SalonEuropa von der Burg Posterstein. Die Blogparade geht der Frage “Europa bedeutet für mich…?” auf den Grund und versucht viele Aspekte zu diesem Thema zu beleuchten. Es gibt, meines Erachtens, kaum eine andere Band, die sich so wirkungsvoll für Europa einsetzt. Sie versuchen mitzureden, suchen die Diskussion und setzen sich mit politischen Themen auseinander. Und nach all den Bildern von Krieg, Zerstörung, Menschen auf überfüllten Booten, die während der Show gezeigt wurden, wurde mein schweres Herz ein wenig leichter, als es die Wahrzeichen europäischer Städte sah und sich daraus die Sterne der Europaflagge ergaben – dazu die Musik von U2. Vielleicht arg pathetisch, vielleicht zu plakativ, aber im Rahmen eines solchen Konzertes durchaus legitim. Nach diesem Konzert hatte man zumindest das Gefühl, dass…
…And there is a light, don’t let it go out…U2, 13 (There is a light)
Liebe Julia, herzlichen Dank, dass Du mich begleitet hast und für Deine Korrekturen.
Set List
The Blackout
Lights of Home
I Will Follow
Gloria
Beautiful Day
Zoo Station
Stay (Faraway, So Close!)
Who’s Gonna Ride Your Wild Horses
Elevation
Vertigo
Even Better Than The Real Thing
Acrobat
You’re the Best Thing About Me
Summer of Love
Pride (In The Name Of Love)
Get Out of Your Own Way
New Year’s Day
City Of Blinding Lights
Zugabe
One
Love Is Bigger Than Anything in Its Way
13 (There is a Light)
Pingback: „Diese Pluralität der Perspektiven ist Europa“ – Auswertung #SalonEuropa 4: Die Blogparade – Geschichte & Geschichten
Pingback: 25. Kultur und Kunst: It’s a beautiful day | U2 Live in concert // @kulturundkunst (6.10.2018) – Salon Europa
LIebe Wera,
vielen Dank für diesen Beitrag zu #SalonEuropa, denn du hast recht, solche großen Konzerte können einen unglaublich tollen Einfluss haben, zum Nachdenken anregen und Gemeinschaftsgefühl stärken, wenn sich Musiker positionieren. U2 machen das konsequent, mir fallen da auch die Toten Hosen ein. Ich finde es super wichtig, dass es dann – wie du schreibst – nicht bei den negativen Gedanken aufhört, sondern in Zusammengehörigkeitsgefühl mündet – gemeinsam sind wir stark und gemeinsam können wir Europa gestalten.
Viele Grüsse nach Hamburg – und klasse, dass ihr so spontan wart!
Marlene
Liebe Marlene,
hab ganz liebe Dank! Herbert Grönemeyer engagiert sich auch und andere Superstars wie Madonna ebenfalls. Bei ihr geht es dann nicht mehr speziell um Europa, aber das ändert nichts an der Position. Aber diese „kleine“ irische Band setzt sich sehr kontinuierlich für politische Themen ein.
Liebe Grüße zur Burg! ? Und weiterhin viel Erfolg bei der Blogparade!
Liebe Wera,
perfekt und merci – Musik und Europa gab es bei der Blogparade #SalonEuropa noch nicht. Deine Verknüpfung – U2 und Europa – ist prima. Künstler setzen sich für Europa ein, Kulturschaffende und -interessierte formulieren zusammen mit Museen Gedanken und Ideen zu Europa – eine Wertegemeinschaft, die gerade ihre Werte erst wieder definieren muss. Burg Posterstein moderiert diesen wunderbaren virtuellen Salon – auf das er noch stärker und massiver und dafür noch mehr zum Nachdenken über den Europagedanken anregen möge.
Also, ein ganz herzliches Dankeschön!
Ich wünsche dir einen schönen Abend!
Herzlich,
Tanja
Liebe Tanja,
ich denke, dass es in der Musikbranche viel stärker politisch zugeht als in den Museen, zumindest, was Positionierungen angeht. Viele Musiker engagieren sich und geben Gratiskonzerte oder setzen Statements in ihren Shows. In Museen hab ich derartiges bislang noch nicht gesehen. Vielleicht, weil sie aus einer gewissen Perspektive wertungslos sind oder seien sollten, aber ich finde, dass muss gar nicht sein. Ich bin mal gespannt, was ich bei der Blogparade noch an spannenden Artikeln entdecken werde.
Liebe Grüße
Wera
Pingback: Einladung zur Blogparade “#SalonEuropa – Europa ist für mich…” – Geschichte & Geschichten