#sp17 | Skulptur Projekte Münster

Alle zehn Jahre ist es wieder so weit, die Skulptur Projekte in Münster werden zu einem Event, das sogar die Asiaten in das kleine idyllische Städtchen lockt. Ansonsten stehen ja klassischerweise Heidelberg oder Lüneburg auf dem Programm, aber immer im siebten Jahr, sind hunderttausende von Kunstinteressierten in Münster zu sehen. Alle pilgern sie dorthin, um die kostenlose Kunst im öffentlichen Raum zu genießen (oder sich aufzuregen). Die Skulptur Projekte werden oft als die kleine Schwester der documenta abgetan, was ich persönlich natürlich sehr schade finde. Wer braucht die documenta, wenn er die Skulptur Projekte haben kann? Aber gut, vielleicht wird uns Michelle diesbezüglich noch auf dem Laufenden halten. 😉

Ich bin ein Verfechter der Stadt Münster, ich habe lange dort gelebt, studiert, gearbeitet und selbst als Angestellte die Skulptur Projekte 2007 miterlebt. Ich weiß also, was für ein Horror das durchaus für Angestellte sein kann. Für mich war es damals natürlich spannend, aber ich muss auch sagen, dass ich ganz froh bin, dass ich das gerade nicht noch mal mitmachen muss. Es ist nämlich auch tierisch anstrengend. Aber ich schweife gerade ab, zurück zur Kunst.
Ich habe mir heute 2,5 Stunden Zeit genommen und versucht, möglichst viele Objekte zu sehen. Das ist gar nicht so leicht, musste ich feststellen, und das, obwohl ich mich dort bestens auskenne und ein Rad hatte. Folglich fiel die Wahl nicht auf bestimmte Künstler oder Projekte, sondern ich habe das gesehen, was auf dem Weg lag. Selbstverständlich hab ich mir eine Karte geben lassen – oh Kirstin, ich schulde Dir noch Geld! Entschuldige! Die Karte habe ich mir kurz angeschaut und für Käse befunden, zum Glück hatte ich mir im Vorfeld die App installiert, meine Rettung am heutigen Tag. Denn dort konnte ich mir immerhin das Objekt im Vorfeld ansehen, sodass ich zumindest ansatzweise erahnen konnte, wonach ich suchen musste.

Einige mögen dieses Format der Schnitzeljagd ja witzig finden, ich finde es gelinde ausgedrückt bescheiden. Ich hab einfach keine Zeit für die Sucherei gehabt, da meine Zeit beschränkt war – auf ganze 2,5 Stunden. Denn für den Ausflug nach Münster hatte ich nur diesen einen Tag, also musste ich schnell sein. Ich habe ca. 17 Projekte besichtigen können, was ich persönlich für total gut halte. Aber ich hätte natürlich gern alle gesehen. Künstler wie Andreas Bunte haben sogar zwei Standorte, die ich beide aufgesucht habe. Insgesamt gibt es 35 Projekte.

Wie bereits vor zehn Jahren, als ich die Skulptur Projekte zum ersten Mal sah, hat sich auch in diesem Jahr nichts an dem Konzept an sich geändert. Künstler werden eingeladen Projektvorschläge zu entwickeln. Die Anzahl der Künstler hat sich gesteigert. Natürlich hat sich seit 1977 auch die Wahrnehmung der Kunst geändert. So waren es vor 40 Jahren noch Projekte, die das konservative Münster erschüttert haben, heute haben sich die Bewohner damit angefreundet und das Event vielleicht auch lieben gelernt. Dem Stadtmarketing und der Wirtschaft tut es mit Sicherheit gut. Eine Konstante gibt es allerdings seit 40 Jahren: Kasper König. Dieser Mann trieb mich vor 10 Jahren zur Weißglut als er rauchend vor mir stand… im Museum. Natürlich hab ich auch ihn gebeten draußen zu rauchen. Raucht er eigentlich immer noch? Wie dem auch sei, mit den Skulptur Projekten hat er sich ein Denkmal gesetzt – ein großartiges. Aber kommen wir zur Kunst, was habe ich eigentlich gesehen?

Ich habe mir folgende Projekte angeschaut:

  • Sany (Samuel Nyholm): Marginal Frieze (Schlossplatz 34)
  • Aram Bartholl: 3V (Unterführung am Schlossplatz)
  • Andreas Bunte: Laboratory Life (H1, Schlossplatz)
  • Koki Tanaka: Provisional Studies: Workshop #7 How to Live Together and Sharing the Unknown (Johannisstr. 18)
  • Ludger Gerdes: Angst, 1989 (Aegidiimarkt)
  • Peles Empire: Sculpture (Aegidiikirchplatz)
  • Cosima von Bonin/ Tom Burr: Benz Bonin Burr (Vorplatz Museum)
  • Nairy Baghramian: Beliebte Stellen (Erbdrostenhof)
  • Justin Matherly: Nitzesche’s Rock (Promenade, Ecke Salzstraße)
  • Emeka Ogboh: Passage Through Moondog (Hbf)
  • Michael Dean: Tender Tender (Lichthof im Museum)
  • John Knight: John Knight, A Work in situ (Fassade am Museum)
  • Nora Schultz: Pointing their fingers at an unidentified event out of frame (Foyer Museum)
  • Ayse Erkmen: On Water (Stadthafen)
  • Michael Smith: Not Quite Under_Ground (Tattoo Studio Hansaring)
  • Lara Favaretto: Momentary Monument – The Stone (Promenade, Ludgeriplatz)

Welche Künstler haben mir besonders gut gefallen?

  • John Knight
  • Michael Smith
  • Ludger Gerdes
  • Aran Bartholl
  • Ayse Erkmen

Diese fünf Objekte fand ich besonders faszinierend, sie werden wohl noch ein Weilchen in meinem Kopf hin und her wandern und ich werde mich gern an sie erinnern.

Not Quite Under_Ground (Michael Smith)
Er offeriert eine dauerhafte Tätowierung insbesondere für Menschen über 65, die sogar Sonderkonditionen in dem Studio bekommen! Crazy! Die Motive wurden unter anderem von Künstler_innen der Skulptur Projekte seit 1977 entworfen. Ich bin mir gar nicht so sicher, ob damit wirklich die Themen “Alter, Jugendkult, Trends und Rollenbilder mit Kulturtourismus” verschränkt werden. Vermutlich bin ich schon zu lange in Hamburg und die Tattoo-Ausstellung im MKG hat den Rest erledigt, um mich von solchen Klischees zu befreien.

On Water (Ayse Erkmen)
Die Installation von Ayse Erkmen rief sofort die Assoziation von Christo in mir wach. Wer wollte nicht in Italien über das Wasser gehen? Gut, bei Christo war es noch ein klitzekleines bisschen aufwendiger, aber wen interessiert es, wenn er im Münsteraner Hafen über/durch das Wasser schreiten kann! Ich war verblüfft, wie sehr sich der Hafen verändert hat. Auf dem Steg nahm man plötzlich eine ganz neue Perspektive ein. Für Münsteraner, die den Hafen in und auswendig kennen, ist dies natürlich besonders spannend. Für alle Kulturtouristen ist es ein feucht-fröhliches Highlight.

3V (Aran Bartholl)
Seine Themen sind Digitalisierung, Open Source, Anonymität und Hacking. Aber was haben dann Kerzen in seinen Arbeiten zu suchen? Nun, kleine Teelichter brennen in anmutenden Kronleuchtern. Das Feuer der Teelichter wird direkt in elektrische Energie umgewandelt. Dies bringt die kleinen Lampen über den Teelichtern zum Leuchten. Toll sieht es allemal in der Unterführung aus!

John Knight, A Work in situ
Seine Wasserwage stellt irgendwie die Architektur des neuen Museumsgebäudes in Fragen, zumindest habe ich das Gefühl. Die überdimensionierte Skulptur befindet sich genau an der Spitze des Gebäudes. Die Spitze, die schon fast ein Symbol des Neubaus geworden ist.

Angst (Ludger Gerdes)
Angst, diese Installation ist von 1989 und befindet sich eigentlich in Marl. Für die Skulptur Projekte ist sie im Rahmen des Kooperationsprojektes The Hot Wire zum ersten Mal in Münster zu sehen. Gerade in der heutigen Zeit wirkt diese Installation absolut zeitgemäß und weckt in einem ein leichtes Gefühl des Unbehagens. Denn man befindet sich auf einer Großveranstaltung und diese sind oft Ziele von Terrorangriffen. Ich finde diese Skulptur interessant.

Zu jedem Objekt sind mir andere Gedanken durch den Kopf gegangen, die Objekte, die ich für weniger spanend hielt, habe ich direkt verbannt. 😉 Natürlich sind auch immer einige interessiert, was man weglassen könnte. Das kann ich an dieser Stelle tatsächlich nicht sagen. Bei Gegenwartskunst sind die Geschmäcker zum Glück sehr unterschiedlich. Ich weiß, dass viele Freunde und meine Familie noch nach Münster düsen werden, aber Tipps? Nun, ich habe Euch fünf Objekte genannt, die mich auf jeden Fall begeistert haben.

Nun gibt es aber tatsächlich noch ein paar Tipps, die die Organisation betreffen. Ihr seid Münsteraner? Alles klar, ihr findet Euch schon zurecht. Ihr kennt Euch nicht in Münster aus? Installiert Euch die App. Dort seht ihr nämlich auch Bilder der gesuchten Objekte, so lassen sich die Objekte leichter finden. Ich hatte auch eine Karte aus Papier dabei, aber die diente lediglich dazu zu markieren, wo ich bereits war. Dies führt mich zum nächsten Punkt.

Verbesserung
Die App mit den Skulpturen ist schon ok, aber ich würde mir wünschen, dass man zum einen damit Routen erstellen kann und zum anderen markieren kann, welche Objekte man schon gesehen hat! Es war nämlich auf der kleinen Karte mehr als nervig, mich zurechtzufinden und die Route richtig zu planen. (Obwohl ich mich in Münster auskenne!) Pluspunkt: immerhin gibt es die App für Android und iOS. Über weitere wünschenswerte Funktionen rede ich an dieser Stelle besser nicht mehr, natürlich könnte man noch mehr daraus machen….
Der Kurzführer von 2007 war damals perfekt und innerhalb kurzer Zeit vergriffen, die Papierkarte in diesem Jahr ist der reinste Käse, da es dort keine Bilder der Objekte gibt. Man sucht also lustig vor sich hin. Das meine ironisch, wie gesagt, ich bin an der Stelle kein Freund von einer Schnitzeljagd.
Den Katalog hab ich mir nicht näher angesehen, ich hatte keine Zeit. Dafür habe ich ein anderes Buch in meiner Lieblingsbuchhandlung gekauft… 😉

Ich hoffe, ich konnte Euch ein paar Eindrücke der #sp17 vermitteln und wer noch nie in Münster war: 2 Tage hinfahren und am anderen Tag shoppen! Ich gehe ja super gern in Münster einkaufen und am besten an einem Mittwoch oder Samstag hinfahren, dann ist Wochenmarkt, der beste Wochenmarkt, den es gibt (nein, in Hamburg gibt es keinen, der auch nur ansatzweise so gut wäre). 😉

Die Skulptur Projekte sind noch bis 1. Oktober 2017 in Münster (Westfalen) zu sehen.


Weitere Blogposts:

retrospektiven: Skulptur Projekte 2017, Teil I (die Fußtour)

Kulturtussi: SKULPTUR PROJEKTE IN MÜNSTER 2017 

Der Artikel erschien zuerst auf museumlifestyle.

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