Eine kleine aber feine Ausstellung überraschte mich eher zufällig als ich in mein Heimatstädtchen Lippstadt kam. Im Rathaus werden dort regelmäßig Ausstellungen gezeigt. “Kinder Mobil” hieß es dort und kam sehr kurzweilig daher. Zahlreiche Spielzeugobjekte zogen mich in meine Kindheit zurück und nicht nur in meine…
Wenn ich darüber nachdenke und mich mit meiner Familie darüber unterhalte, wie Kinder früher und heute “transportiert” werden/wurden, dann liegen dazwischen Welten: Babys lagen im Korb auf der Rückbank, heute sicher angeschnallt in der Babyschale, früher saß ich selbst vorn in einem kleinen Kindersitz auf dem Lenker bei meinem Papa, heute sitzen die Kinder in Kindersitzen hinten auf dem Gepäckträger, ich spielte damals in einem wunderbaren Park ohne große Aufsicht meiner Eltern, heute schwirren Eltern jede Sekunde um ihren Nachwuchs herum. Diese und viele weitere Veränderungen gehen in der Welt der (Spiel-)Welt der Kinder von statten, meines Erachtens aus guten Gründen. Denn wie auch in der Ausstellung verdeutlicht wird, nimmt die “Verstädterung” immer weiter zu. Da ich aktuell in Hamburg beheimatet bin, gewinnt dieser Begriff im Vergleich zu Lippstadt, wo die Ausstellung zu sehen ist, noch mal eine ganz neue Bedeutung. In Lippstadt wohnen wohl ca. 70.000 Menschen, in Hamburg etwa 1,8 Millionen. Die Urbanisierung, der Fortschritt der Mobilität und der Verlust an Spielorten in der Natur führen zu einem Wandel in der Spielwelt der Kinder.
Das Lippische Landesmuseum Detmold hat diese Wanderausstellung konzipiert und ergänzt wurde sie mit den Beständen des Stadtmuseums Lippstadt. Ich habe mich ehrlich gesagt ziemlich schnell in diese kleine Ausstellung verliebt, weil sie es (inhaltlich) auf den Punkt brachte und ich tatsächlich viele Objekte aus meiner Kindheit wiedergefunden habe.
Die Ausstellung startet mit der Zeit um 1900 – aus guten Gründen. Denn zuvor gab es kaum eine “Spielwelt” für Kinder. Kinder wurden oftmals als kleine Erwachsene behandelt und waren kein relevanter Bestandteil der Gesellschaft, dies sollte sich erst noch entwickeln. Einen echten Kinderwagen gibt es erst seit Beginn des 19. Jahrhunderts, erst seit 1880 gibt es Konstrukte, wo Babys drin liegen konnten. Die Entwicklung dieses Vehikels nahm ihren Lauf. Heute sind sie regelrechte Statussymbole.
Puppenwagen, Bollerwagen, Spielzeug war noch kein Massenprodukt. Insbesondere in den 1930er Jahren war Spielzeug eine Rarität, aber Kinder sind kreativ und so wurde alles mögliche zum Spielzeug umfunktioniert und wenn wir ehrlich sind, ist dies auch heute noch so. Nichts ist so spannenden wie das mit dem die Eltern rumhantieren für Kinder. Wen interessiert eine Barbie oder ein Auto, wenn man mit Mamas oder Papas Sachen spielen kann? 😉
Die Ausstellung schreitet chronologisch voran und berücksichtigt geschichtliche, politische, gesellschaftliche Einschnitte, die das Leben verändern. So wird auch mir immer noch gesagt: “Wir haben früher auf der Straße gespielt.” Oder “ich war ein Schlüsselkind”, Begriffe, mit denen ich nichts anfangen konnte. Aber in den 60er Jahren spielten viele Kinder ohne Aufsicht mit den Nachbarskindern in den Wohnsiedlungen. Man verabredete sich oder traf sich auch ohne Verabredung, denn der Spielplatz war die Straße und dort waren alle. Hüpfspiele, Gummitwist, Buden im Wald bauen, am Bach spielen, Kaulquappen fangen, welches Kind kann davon heute noch berichten? Bei Gummitwist und Kaulquappen (aus dem Eimer) kann ich noch mitreden, bei Buden bauen im Wald und am Bachspielen bin ich raus, weil so etwas nicht in der näheren Umgebung vorhanden war – tja, Stadtkind. Viele Objekte der Ausstellung kenne ich noch von meinen Eltern, weil sie im Keller lagerten, einige Sachen kenne ich nur aus meiner Zeit im Freilichtmuseum und die neueren Sachen, auf denen bin ich selbst gefahren, habe sie geschoben oder damit gespielt.
Ergänzt wurde die Ausstellung um Kanus, Kajaks und Paddelboote, denn in Lippstadt lernt man dies gefühlt mit der Geburt. Ich nicht. Trotz Kanu-AG in der Schule habe ich mich nicht für diese Art des Wassersports begeistern können. Man sollte dazu sagen, dass Lippstadt eine Wasserstadt ist, eine offizielle Kanustrecke mit Wildwasser hat und dort schon viele Wettkämpfe ausgetragen worden sind. Die wohl berühmteste Kanutin aus Lippstadt ist Jasmin Schornberg, sie holte erst kürzlich bei der EM in Prag 2018 Mannschaftsgold. (Wer diesen Namen nicht kennt, kommt definitiv nicht aus Lippstadt – hahahha.)
Zurück zur Ausstellung – diese zeigt eindringlich die Veränderungen der Freiräume von Kindern, lässt einen nostalgisch werden und zeigt anhand von kurzen aber guten Texten die Entwicklung unserer Spiel- und Lebenswelt. Ich begrüße es sehr, dass diese Ausstellung in Lippstadt gezeigt wird! Mehr davon!
Die Ausstellung ist sowohl etwas für Erwachsene als auch für Kinder, wobei für Kinder nicht immer zu verstehen ist, warum sie mit den tollen Sachen nicht spielen dürfen… 😉
#Ausstellungsort | Rathaus Lippstadt
#Ausstellung | Kinder mobil
#bis | 15. September 2018
#Zeiten | Di – Sa, 10-12 Uhr und 15-17 Uhr, an jedem 1. So im Monat,10-12 Uhr
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