Skurrile Museen | Das Fliesenmuseum

Fliesenmuseum? Ja, Fliesenmuseum! Aber wie kam es eigentlich zu dem Besuch in diesem ungewöhnlichen Museum. Vor zwei Wochen rutschte mir ein Satz raus, der in etwa so lautete: „Ach ihr meint, die Kacheln an der Wand…“ Prompt bekam ich von rechts und links seltsame Blicke und wurde unverzüglich belehrt:

Kacheln findet man am Ofen, der Rest ist gefliest.

Fußboden, Dielen, Hauseingänge, Badezimmer und Wände sind natürlich gefliest! Dort befinden sich keine Kacheln! Kacheln gibt es nur am Kachelofen, nomen est omen. Nach der kurzen Belehrung von Museumsmenschen, wem sonst, hieß es auch gleich im nächsten Satz: Wera, ich glaube, wir müssen mal dringend ins Fliesenmuseum. Mir blieb die Sprache weg. Ist klar, ein eigenes Museum für Fliesen!? Aber wen wundert es, mittlerweile hat ja jeder Gegenstand ein eigenes Museum. Das finde ich meist ein wenig überflüssig, denn oftmals werden diese Museen ehrenamtlich betreut, aber was ist, wenn die Inhaber sterben? Dann ist immer das „Geheul“ groß, entweder es wird alles verschrottet oder „richtige“ Museen müssen sich dann darum kümmern (heißt, begutachten, selektieren, inventarisieren, etc.).

In diesem Fall will ich mich gar nicht beklagen, denn es ist ein kleines Museum (zwei sehr schöne Ausstellungsräume), die liebevoll von einer Firma eingerichtet wurden. Zum einen bietet die Firma einen normalen Fliesenverkauf an, zum anderen hat sie einen Reparaturservice für gesprungene oder zerbrochene Fliesen. Allein bei diesem Service gibt es zigtausende von Fliesen im Lager. Es war zu tiefst beeindruckend, weil ich erst dachte, es würde sich um eine Bibliothek handeln. Senkrecht standen die Fliesen in Regalen, dicht an dicht und ordentlich sortiert, zu erkennen an den Beschriftungen mit irgendwelchen Nummern und Buchstaben. An diesen Reparaturservice ist das kleine Museum angelehnt.

Also blieb mir nichts Anderes übrig, ich musste ins Fliesenmuseum, zumal sich dieses wunderbare Kleinod auch noch in Hamburg befindet! Das Museum zeigt wunderschöne Jugendstilfliesen, aber auch die klassischen Fliesen, die wohl jeder aus seinem eigenen Haushalt oder aus den Wohnräumen der Eltern oder Großeltern kennt. Während man durch die Räume schlendert, schwelgt man in Erinnerungen, fragt sich, wo man welche Fliese schon mal gesehen hat, hat Spaß und stellt fest, dass es unendlich viele Fliesen gibt.

Wusstet Ihr, dass die Fliesenserie „Vulkan“ von Villeroy & Boch über 15 Jahre produziert wurde und damit durchaus zu den erfolgreichsten gehört?

Na, wer von Euch erinnert sich an dieses Bad? ;D

Typisch eingerichtete Bäder aus verschiedenen Jahrzehnten, zeigen nicht nur die Entwicklung der Fliesen, sondern auch die Wohn- und Designkultur in unserem hübschen Land. Zum Teil erschreckend (hässlich), zum Teil einfach nur witzig anzusehen – insbesondere da man weiß, man fand irgendetwas davon bei sich selbst im Haushalt.

An der Kette zog man damals um den Spülkasten zu betätigen. Ich kenne Haushalte, wo man das auch heute noch machen muss. 😀

War von Erfolg hier dein Bemühen,
so musst du an der Kette ziehen!
Machs Fenster auf, lass Luft herein,
der nächste wird dir dankbar sein!

Erkennt Ihr einige Ketten oder Wasserhähne wieder?
Erkennt Ihr einige Ketten oder Wasserhähne wieder?

In einer kleinen nachgebauten Küche in einem Haus wird ein wunderschöner Hamburger Kachelherd ausgestellt: „Typ Wandsbek“. Was diesen Typ auszeichnet sind die zwei Kochstellen, das Bratfach und das Wasserschiff. Bis 1950 war dieses Modell hier noch in vielen Haushalten im Einsatz.

Um es mal mit absoluter Begeisterung auszudrücken, das Museum hat mich geflasht! 😀 Insbesondere die Kachel als Seifenhalter war mir noch in guter Erinnerung, zum Lachen brachte mich das grüne Badezimmer, einzigartig war das WC mit Muster (warum gibt es heute so etwas nicht mehr?) und ein „Evergreen“ könnte die Einhornfliese werden. 😀

Was soll ich Euch sagen, das Museum ist klein, ja, aber ich bin hin und weg, weil es so skurril und so liebevoll eingerichtet ist. Man schwelgt in wunderbaren Erinnerungen und wirklich jeder findet dort einen Ansatzpunkt. Als ich das Museum verließ, fand ich eine unfassbar schöne Fliese in holzoptik! Sollte ich jemals bauen, werde ich diese auf jeden Fall in die engere Wahl ziehen.

Man sollte das Museum nicht allein besuchen, zu zweit hat man definitiv noch mehr Spaß und kann wild herum philosophieren, sich austauschen, wer was wo schon mal gesehen hat. Wer also mal in Hamburg-Harburg sein sollte, kein Interesse für Kunst oder Archäologie an den Tag legt, sich viel mehr für die skurrilen Dinge im Leben interessiert, demjenigen lege ich dieses Museum oder das Elektrum ans Herz, zwei der ungewöhnlichsten Museen, die ich jemals besucht habe.

Ganz bezaubernd ist auch dort das Personal! Da wir nicht wussten, was ein Zement-Kalender ist, mussten wir natürlich sofort nachfragen und hatten ein ausgesprochen nettes Gespräch. Herzlichen Dank!

#museum | Fliesenmuseum , Winsener Stieg 1a, 21079 Hamburg-Harburg

#Öffnungszeiten | Mo – Fr, 7 – 17 Uhr

#Eintritt | frei

0 Kommentare zu “Skurrile Museen | Das Fliesenmuseum

  1. knightlyart

    Moin Wera!
    Wahnsinn, was es alles für Museen gibt, aber das Fliesenmuseum ist wirklich ein Schätzchen!
    Die Kacheln, sorry die Fliesen aus den 70ern und 80ern kennt wohl noch jeder;-))
    Danke für den tollen Tipp und
    was ist denn nun ein Zementkalender?
    Liebe Grüße,
    Kirsten

    • Ein Zementkalender enthält wohl Mischungsverhältnisse und Zusammensetzungen verschiedener Hersteller. Es gibt wohl auch Beton-Kalender. Brandexperten arbeiten wohl auch damit, so kann man z.B. festhalten und nachschlagen, wie es um die Statik eines Hauses bestellt ist (wenn ich das alles richtig verstanden habe).

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