Wie Ihr sicherlich alle mitbekommen habt, war unsere Bloggergruppe im Rahmen der #kbreise15 auch in der Ausstellung „Marlene Dumas“ in der Fondation Beyeler. Nun, ich gebe zu, ich habe mich mit der Ausstellung sehr schwer getan und einfach keinen Zugang gefunden.
Wir bekamen von Diana eine wunderbare Führung durch die Ausstellung, man merkte regelrecht, dass sie von dem Thema schier begeistert war. Alle anderen in meiner Gruppe irgendwie auch. Aber ich stand da und war von dem großformatigen Werken erschlagen. „Expressive Farben wechseln mit fast transparenten Nuancen ab […]“, so heißt es in der Mitteilung der Fondation Beyeler. Ich hätte es kaum besser formulieren können. Ein Weiß in Weiß mit leichtem Grau und dann diese starken Farben im absoluten Kontrast machen die Werke von Dumas zu Hinguckern. Besonders das Selbstportrait bringt dies zum Ausdruck. Wegen des Copyrights sehe ich davon ab, hier ein Bild davon zu posten, aber damit ihr versteht, um welches Werk geht, verweise ich an dieser Stelle auf die Seite der Fondation Beyler, die das Bild online gestellt hat hat: HET KWAAD IS BANAAL / DAS BÖSE IST BANAL, 1984.
Die Ausstellung wurde gemeinsam mit dem Stedelijk Museum in Amsterdam und der Tate Modern in London organisiert. Basel ist der letzte Ausstellungsort und die Ausstellungsschwerpunkte wechselten von Haus zu Haus. Namhafte Ausstellungshäuser, die sich zusammengeschlossen haben! Aber das ändert jetzt nichts an der Tatsache, dass ich mit Marlene nicht warm wurde. Anke hingegen war sofort Feuer und Flamme. „Direkt beim ersten Bild dachte ich: Picasso! Noch bevor es Diana Blome ausgesprochen hatte“, heißt es auf ihrem Blog. Öhm ja, wenn die beiden das sagen, wird das schon stimmen, war so mein Gedanke. Anke ist Kunsthistorikerin und die Expertin auf dem Gebiet der Kunstvermittlung. Also wende ich mich an sie.
Was hat Anke in Marlene gesehen, was ich nicht gesehen habe?
Ich bitte die liebe Anke zum Interview:
Anke, Du hast sofort den Bezug zu Picasso erkannt, braucht man für diese Ausstellung ein gewisses „Vorwissen“ oder ein kunstgeschichtliches Allgemeinwissen?
Anke von Heyl: Also, ich gebe gerne zu, dass die Assoziation zu Picasso in dem Kinderbild (The Painter) sich nicht jedem aufdrängt. Ich bin mir ja auch nicht sicher, ob sich Marlene Dumas überhaupt an dieser Stelle auf ihn bezieht. An anderer Stelle tut sie es ganz sicher. Aber vielleicht ist es meine Herangehensweise bei der Bildbetrachtung, dass ich meinen Assoziationen gerne folge. Und nicht sofort „richtig“ oder „falsch“ abhaken muss. Wenn wir uns jetzt vorstellen, wir hätten keinerlei Zusatzinformationen gehabt, keine Führung, kein Infomaterial, so bin ich mir sicher, dass jeder in diesem kleinen Kind mit seinem speziellen Gesichtsausdruck und seinen beiden „schmutzigen“ Händen eine Geschichte hätte erkennen können. Auch wenn die nicht unbedingt gefällig und „schön“ gewesen wäre. Das Bild spricht zu uns. Und so ging es mit den anderen Bildern auch.
Das stimmt. Vielleicht ist es gar nicht so wichtig, sich auf das gesamte Werk zu konzentrieren, sondern jedes Objekt für sich zu betrachten – unabhängig von eventuellen Themen oder Gedanken, die die Künstlerin gehabt haben könnte. Ist Dir die Künstlerin aus Deinem beruflichen Umfeld zuvor schon mal begegnet?
Anke von Heyl: Nein, sie war auch – ehrlich gesagt – nicht so in meinem Bewusstsein verankert. Obwohl sie eine wichtige Figur der Kunstszene ist. Ich bin wohl eher auf die klassische Moderne geeicht. (Auch hier hat man also seine Filterblase :)) Deswegen war es für mich natürlich eine doppelte Überraschung.
Ich habe in der Ausstellung keine Erklärungen entdeckt und weiß auch gar nicht, ob es ein Heft dazu gab, würde ich als Laie einfach so durch die Ausstellung gehen, hätte ich wohl meine Probleme. Würdest eine Führung zu der Ausstellung empfehlen oder voraussetzen? (Einen Audioguide gibt es leider nicht dazu.)
Anke von Heyl: Das stimmt, eine besondere Didaktik ist mir auch nicht aufgefallen. Man muss bis zum Innersten der Ausstellung vordringen. Da gibt es ja eine Reihe der Fotovorlagen, die einem auch etwas erzählen zu der Art und Weise der Umsetzung ihrer Bilder. Mir haben die Zitate an den Wänden als Impuls gut gefallen. Ganz sicher ist es keine schlechte Idee, wenn man eine Führung mitmacht, mit der man dann viel Hintergrund geliefert bekommt. Aber da ich generell kein Fan der klassischen Führung bin, wären ein paar Hinweise gut, mit denen man dann den Bildern begegnen kann. Der Katalog ist super. Den würde ich eigentlich jedem empfehlen. Besonders die Selbstzeugnisse der Dumas darin finde ich sehr spannend. Aber den will vielleicht nicht jeder kaufen. Es gibt ja öffentliche Führungen. Die würde ich in jedem Fall empfehlen.
Ich weiß, dass der ein oder andere Leser meines Blogs auch Kinder hat. Für Kinder habe ich nichts im Begleitprogramm gefunden. Was denkst Du, wer ist die Zielgruppe der Ausstellung?
Anke von Heyl: Doch, es gibt ein Angebot für Kinder in der Ausstellung. Am 5.8. beispielsweise einen Workshop für Kinder von 6 bis 10 Jahren. Die Zielgruppe der Ausstellung – das ist wahrscheinlich wie bei den meisten der Ausstellungen das interessierte Kunstpublikum. Es ist ja die Frage, ob man dann im Vermittlungsansatz für verschiedene Zielgruppen spezielle Angebote macht. Ich finde durchaus, dass man in der Ausstellung auch mit Kindern gut arbeiten kann. Allein das oben erwähnte Bild „The Painter“ ist eigentlich perfekt für die Arbeit mit Kindern. Und es gibt noch weitere Bilder, zu denen mir bestimmt auch Vermittlungsideen für die Jüngeren einfallen. Man muss sicher auswählen und kann nicht alles nutzen. Aber es steht ja nicht geschrieben, dass Kinder nicht auch mit Themen wie Trauer oder Apartheid in Berührung kommen dürfen.
Das Begleitprogramm für Kinder habe ich gar nicht gesehen. Huch! Danke, dass Du noch mal darauf hinweist! (5. August, ab 15 Uhr, Workshop für Kinder zur Dumas-Ausstellung) Kannst Du noch mal kurz sagen, warum man die Ausstellung unbedingt gesehen haben sollte?
Anke von Heyl: Weil es ein spannender Beitrag zur Malerei heute ist und sich Marlene Dumas mit vielen gesellschaftlich relevanten Themen beschäftigt.
Liebe Anke, herzlichen Dank für Deine Antworten!
Anke von Heyl: Liebe Wera, gern geschehen und immer wieder.
Ich halte für mich fest: Kunst ist Geschmackssache und das ist gut so. Mir muss nicht alles gefallen, aber es ist gut zu wissen, dass es anderen gefällt!
Liebe Wera,
schon seit Ewigkeiten will ich dir für diesen Beitrag danken. Mir geht es in Kunstausstellungen auch manchmal so, dass ich einfach keinen Bezug bekomme. Ich kann dann würdigen, dass es hochkarätige Werke sind, dass die Ausstellungsgestaltung schön gemacht ist etc., aber ich verstehe den tieferen Sinn einfach nicht. Nur kommt man sich in diesen Fällen doch leider irgendwie blöd vor – und wenn man dann noch etwas darüber schreiben soll, gute Nacht. Danke dir also, für deine Ehrlichkeit und auch für den kreativen Umgang mit dieser Situation. Bei Gelegenheit werde ich so frech sein und mich davon inspirieren lassen. 😉
Liebe Grüße,
Tanja
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Liebe Wera,
ein sehr ehrlicher Beitrag, der zeigt, dass Kunst absolut Geschmacksache ist!
Ich hatte mir in der Ausstellung nie Gedanken gemacht, ob sie für Kinder ansprechend oder gar geeignet sein könnte. Auch wenn Anke hier Potential sieht, denke ich, dass ich „The Image as Burden“ nicht direkt für Kinder empfehlen würde. Man muss sehr reflektiert durch die Ausstellung gehen und vor dem Hintergrund würde ich sagen, dass Marlene Dumas eher für Jugendliche ab 12 Jahren geeignet ist. Für jüngere Kinder könnte es schwierig werden, die verschiedenen Motive der Künstlerin zu verstehen.
Es kommt natürlich immer auf die Vermittlungsangebote an, die das Museum hier bietet – aber bei Kindern unter 12 Jahren kann ich mir wirklich schwer vorstellen, wie Marlene Dumas‘ Inhalte vermittelt werden. Es gibt sicher Ausstellungen – wie z.B. Gauguin – die da einfacher erfassbar sind…
Viele Grüße
Angelika
Liebe Angelika,
ich stimme Dir da zu, dass die Dumas Ausstellung vermutlich nicht ganz so leicht zu vermitteln ist. Aber ich sag da immer: Es kommt auf den Pädagogen an (und natürlich auf die Kinder). 😉
Aber an einem Familientag oder im August das Sommerfest lohnt sich der Besuch mit Sicherheit: Kurzführungen, Workshops, Musik, das klingt schon sehr verlockend – auch für die jüngeren Besucher.
Bei Gauguin stelle ich es mir auch deutlich leichter vor, aber darin liegt ja die Herausforderung in der Kunst.
Liebe Grüße,
Wera
Liebe Wera,
im Namen der Fondation Beyeler herzlichen Dank für diesen sehr personlichen Beitrag.
Als Ergänzung zur Frage der Vermittlung hier der Link zu unserem Saalheft, welches auf der Webseite runtergeladen werden kann und am Eingang der Ausstellung aufliegt (http://www.fondationbeyeler.ch/sites/default/files/fondation_beyeler/ausstellung/dumas/saalheft_d_dumas_3.pdf). Auch die Videos der Veranstaltungen und Interviews sehen wir im weitesten Sinne als Vermittlung an. https://www.youtube.com/user/FondationBeyeler
Für die Kinder bieten wir regelmässig Workshops, Familienführungen und pro Ausstellung einen Familientag mit einem speziellen Angebot an (Workshops, Führungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene) wie auch zu Gauguin einen speziellen Audioguide für Kinder. Der Familientag zu Marlene Dumas findet in Form des Sommerfests am Samstag 15. August statt. Dieses Fest wird quer durch alle Altersgruppen sehr geschätzt. Am Abend gibt es jeweils ein Konzert. In den letzten Jahren traten da Nouvelle Vague, Adam Green oder The BIanca Story auf.
Herzliche Grüsse,
Mirjam
Liebe Mirjam,
vielen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar!
Das Saalheft ist prima, das hatte ich gar nicht gesehen, als ich dort war, sonst hätte ich mir das natürlich sofort eingesteckt. 😉 Aber damit lässt sich die Ausstellung definitiv besser erschließen, wenn man sie ohne Führung besucht.
Die Idee, zu jeder Sonderausstellung einen Familientag zu machen, finde ich richtig gut. Ich bin mir sicher, dass sich dann viele Familien den ganzen Tag bei Euch aufhalten, zwischendurch noch durch den schönen Park spazieren… und abends ein Konzert genießen. Herrlich!
Liebe Grüße
Wera
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