Very British | Thomas Gainsborough in der Hamburger Kunsthalle

Puh, am 27. Mai 2018 endet die Ausstellung „Thomas Gainsborough“ in der Hamburger Kunsthalle, also musste ich meine Beine in die Hand nehmen und mich auf den Weg in die hiesige Kunsthalle machen. Denn diese Ausstellung sollte man nicht verpasst haben, oder ist es vielleicht doch nicht so schlimm, wenn man sie verpasst?

Als Fan des britischen Lifestyles und der europäischen Kunstgeschichte sollte man diese Ausstellung unbedingt besucht haben. Mittelpunkt der Ausstellung ist das Gemälde „Robert und Frances Andrews“ (um 1750). Es ist laut der Kunsthalle und Experten auch Hauptwerk der englischen Malerei. Ich stehe zugegebenermaßen ein wenig ratlos vor diesem Gemälde und schaue es mir lange an.

Was sehe ich?
Das stolze Ehepaar Andrews lässt sich von dem berühmten Maler porträtieren, nun mehr oder minder. Es wird an jeder Stelle darauf verwiesen, dass die Landschaft einen sehr großen Teil des Gemäldes einnimmt, was sehr ungewöhnlich ist. Zum einen liegt es daran, dass Gainsborough wohl lieber Landschaften als Portraits gemalt hat. Zum anderen zeigt dieses Gemälde aber auch die Besitztümer des Ehepaares, ihre Länderein, die offenbar recht umfangreich sind, denn die Abgrenzung der Felder erkennt man in der Mitte des Gemäldes.
Die linke Hälfte des Gemäldes zeigt also Robert und Frances Andrews und die rechte Hälfte Landschaft. Die rechte Bildhälfte ist dabei unterteilt in Felder, Wiesen, Bäume und Himmel. Das Wolkengebilde ist ein wunderschöner Blickfang. Es fasziniert, wie Gainsborough dieses Naturspektakel eingefangen hat. Das Ehepaar tritt langsam in den Hintergrund je länger man das Bild betrachtet. Dabei ist das hellblaue ausladende Kleid für die Zeit vermutlich wunderschön (Geschmackssache). 😉
Das Familienoberhaupt lässt sich mit Gewehr porträtieren, selbstverständlich steht der Herr des Hauses neben seiner Frau, die auf einer Bank sitzt. In einer sehr lässigen Position vermittelt Robert Andrews den Eindruck, dass er freundlicher zugänglicher Typ ist. Ihr Hund steht neben ihm und guckt an ihm hoch.

„Robert und Frances Andrews“ (um 1750) von Thomas Gainsborough
Das Portrait zählt zu den Hauptwerken der englischen Malerei, in Großbritannien kennt es fast jeder.

Ja, das Gemälde mag in der Kunstgeschichte ein absolutes „Must-Seen“ sein, aber mir persönlich gefällt es jetzt nicht so sehr, dass ich sofort in die Luft springe. Nachdem ich mir alle Texte in der Ausstellung durchgelesen habe, sämtliche Gemälde angeschaut habe und ein wenig vor mich hinschlendere, verlasse ich die Kunsthalle nach 45 Minuten wieder.

Was habe ich gelernt?
Nun, Thomas Gainsborough hat wohl gern experimentiert. Er wollte seine Bilder besonders kontrastreich erschaffen, was ihm nicht immer sofort gelang. Dabei ging er sehr kreativ vor, probierte verschiedene Techniken, nutzte Rezepte, die bis heute einigen Wissenschaftlern nicht klar sind, was er alles genutzt hat (auf einem Werk wurde sogar Quark entdeckt!). Er hütete seine Rezepte wie seinen Augapfel.
Er malte lieber Landschaften als Portraits, aber alle liebten seine Porträts, damit wurde er ein Star seiner Zeit. Das Portrait von „Robert und Frances Andrews“ kennt in England wohl jedes Kind. Jeder hat dieses Werk wohl schon einmal gesehen.
Gainsborough lebte zur Zeit der Industrialisierung, Experimente und starken gesellschaftlichen Veränderungen. Dies wird auch in seinen Bildern deutlich, zum einen anhand seiner Technik, da er stets selbst experimentierte, zum anderen inhaltlicher Art. Anhand einiger Gemälde lassen sich die ersten Veränderungen erkennen, wie zum Beispiel die Zäune bei den Geländen der Andrews. Dies ist etwas ganz Neues, denn die Privatisierung und Industrialisierung wird dabei sehr dezent und hintergründig dargestellt.

Ich empfehle Euch auch diesen wunderbaren Film der Ausstellung zu dem Hauptwerk, das eine tolle Erklärung liefert. Er dauert etwa 5 Minuten, erklärt aber auf verständliche Art, was es mit dem Gemälde auf sich hat und warum es im Mittelpunkt des Schaffens von Gainsborough steht:

Ich bin also ein wenig hin und her gerissen. Rein optisch und von den Werken her gesehen, hat mich die Ausstellung nicht vom Hocker gehauen, aber wenn man sich mit der Bedeutung ein wenig auseinandersetzt, wird es sehr spannend. Außerdem sollte man offen sein, für neue Kunsterfahrungen. 🙂

Also ganz klar: schnell die Tasche packen und sofort zur Hamburger Kunsthalle, denn die Ausstellung ist nur noch diese Woche zu sehen – also bis Sonntag (27. Mai 2018).

#Museum | Hamburger Kunsthalle

#Ausstellung | Thomas Gainsborough

#bis | 27. Mai 2018

2 Kommentare zu “Very British | Thomas Gainsborough in der Hamburger Kunsthalle

  1. Danke für die schöne Beschreibung vor allem deines Hin-und-Her-Gerissen-Seins, was mich gerade deswegen sehr neugierig macht… und traurig, weil ich leider zu weit weg wohne um noch eben fix die Ausstellung sehen zu können. Aber schon durch deine Informationen habe ich etwas gelernt! Danke schön dafür 🙂

  2. Danke für die Infos und den Link zum youtube Video, Wera. Schade, dass die Ausstellung nur noch bis morgen geöffnet hat. Ich bin ein Fan von Gainsborough. Die Darstellung der Stofflichkeit der Gewänder fasziniert mich immer wieder. Auch sind seine neuen Kompositionsideen erstaunlich. Ich denke, ich sehe seine Gemälde sehr in seiner Zeit verortet und kann mich deshalb dafür begeistern.
    Einen schönen Samstag von Susanne

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