„…wir sind nicht die Nationalgalerie, wir sind kein Tempel der Kunst, wir sind ein Ort der Debatten…“ sagt Frau Dr. Ulrike Lorenz, Direktorin der Kunsthalle Mannheim.
Understatement pur! Und das ist unglaublich charmant.
Denn die Kunsthalle Mannheim ist jemand, ein ganz besonderes Haus, ein Museum, das offen sein will, das ins Gespräch kommen will, das Besucher einlädt, sich mit der Kunst auseinanderzusetzen. Es möchte für jeden zugänglich sein. Dies hat gute Gründe, denn Mannheim ist eine Arbeiterstadt und dementsprechend muss sich auch die Kunsthalle anpassen. Es darf kein Tempel sein, kein Elfenbeinturm der bildenden Künste, es muss ein offener Ort sein, für jeden zugänglich.
Der Neubau, der am 1. Juni 2018 für alle eröffnet wird, lädt ein zu verweilen, zum Staunen, die ersten Kunstwerke zu bewundern, zum Stöbern im Shop und zum Schlemmen in der Gastronomie. Eine Mediawall (keine Social Media Wall) zeigt die Kunstwerke der Sammlung. Diese Wall funktioniert ähnlich wie ein Radarsystem, man muss die Monitore gar nicht berühren, ein Fingerzeig reicht, um Kunstwerke größer anzeigen zu lassen, sich näher zu informieren und digital zu stöbern. Vier Personen können gleichzeitig daran „arbeiten“. Diese Wall befindet sich ebenfalls im Foyer und ist frei zugänglich. Besonders elegant fand ich die digitale Litfasssäule. Mein persönliches Highlight, denn kein langweiliger, zu kleiner oder an falscher Stelle hängender Monitor nervt den Besucher. Die große Litfasssäule fasziniert auf den ersten Blick und ich fand die Idee einfach nur toll!!!! Um beim Digitalen zu bleiben, das gesamte Museum ist mit einem hervorragenden W-LAN ausgestattet, ohne diese technische Einrichtung wäre man ansonsten von der Außenwelt abgeschottet, denn ohne das W-LAN haben Mobilgeräte in dem Gebäude keinen Empfang. Eine weitere ungewöhnliche Anwendung ist der Medientisch, der einem Vorlagentisch ähnelt. Auch hier können vier Personen gleichzeitig daran arbeiten und sich die Grafiken der Sammlungen anzeigen lassen.
Eine App dient der Navigation und Information innerhalb des Museums, Audioguides und jede Menge Informationen zu den Objekten in der Ausstellung sind dort hinterlegt. Dank Beacons erkennt die App, wo sich der Besucher befindet, so kann man sich einfach mit der App informieren. Man hat außerdem die Möglichkeit, seine Lieblingsobjekte zu markieren und eine eigene Sammlung zusammenzustellen. (Ich muss jetzt nicht extra erwähnen, dass alles lediglich über ein CMS läuft…) Wer mag, kann anschließend eine PDF Datei erstellen lassen und vor Ort seinen eigenen kleinen Katalog drucken lassen. Ihr merkt, ich bin schier beeindruckt von dem, was die Kunsthalle alles auf die Beine stellt, um möglichst vielen Menschen einen Zugang zu ermöglichen. Der digitale Zugang ist auf jeden Fall perfekt! Chapeau!
Der Neubau kostete über 68 Millionen Euro, 50 davon kommen vom SAP Gründer Hector als Spende. Eine Investition, die sich meines Erachtens gelohnt hat. Anfang 2015 fand die Grundsteinlegung statt. Nach nur drei Jahren sind sie nun fertig, eine Rekordzeit wie ich finde.
7 Kuben sind rund um das Atrium angesiedelt. In ihnen befinden sich Künstlerräume von William Kentridge, Edouard Manet oder Anselm Kiefer und ein schönes Schaudepot, das einen wunderbaren Querschnitt der Sammlung zeigt. Der Neubau hat einen tollen Übergang zum Jugendstilgebäude, dieser wird mit einer Lichtinstallation von James Turrell inszeniert. Beide Ausstellungsgebäude umfassen insgesamt eine Ausstellungsfläche von 5700 Quadratmeter. Das Atrium hat eine Höhe von 22 Metern und allein eine Fläche von 700 Quadratmetern.
Ok, die Architektur hatte mich sofort, aber als ich hörte, dass das Museum größtenteils Gegenwartskunst sammelt und auch ausstellt, bin ich bisweilen immer ein wenig zurückhaltend mit meiner Begeisterung. Aber ich lasse mich gern überraschen und belehren und so konnte ich einen ersten Kontakt zur Kunst von William Kentridge herstellen. Als ich den Raum betrat stellt sich dieser WOW-Effekt ein. Man ist völlig überfordert von der Situation, weil es so laut und so viel auf einmal war. Man brauchte Zeit, um diesen großen Raum zu verarbeiten, um der Kunst Zeit zu geben und um diese auf sich wirken zu lassen.
Weniger sexy fand ich Anselm Kiefer, aber Dank Frau Lorenz hab ich verstanden, warum ein kleiner süßer Caspar David Friedrich diesem monumentalen Triptychon von Kiefer gegenübersteht. In diesem Raum kann man sich die Frage stellen, was Romantik ist? Und was es mit der Farbe Grau auf sich hat.
Das Schaudepot war ein herrliches Sammelsurium an Skulpturen, Objekten und Gemälden, es zeigt die Vielfalt der Sammlung. Das Museum ist darauf ausgerichtet, relativ günstig aktuelle Kunst anzukaufen. Dies haben auch bislang alle Direktoren in dieser Form durchgezogen, ein Glück für die Kunsthalle, insbesondere in den Anfängen des Hauses, denn so ergibt dies einen wunderschönen Bestand an Objekten im Museum. Das Museum ist jedoch zukunftsorientiert, also orientieren sie sich an aktuellen Künstlern und sind natürlich an den Künstlern der Hochschule interessiert. Diese Kunst ist zudem noch erschwinglich. Natürlich braucht man ein glückliches und erfahrenes Händchen und Verhandlungsgeschick beim Ankauf und der ein oder andere Direktor hat dies bereits bewiesen.
Ich könnte so viel zu einzelnen Objekten schreiben, weil sie so schön waren (James Turrell „Passage“ befindet sich im Übergang zum Jugendstilgebäude – ein perfekter Ort für das Kunstwerk und wunderschön oder die Uhr im Foyer, die über den Köpfen der Besucher schwingt), aber ich glaube, ich zeige Euch lieber ein paar Fotos, damit ihr einen besseren Eindruck gewinnen könnt, warum ich so begeistert bin.
Der Besuch der neuen Kunsthalle Mannheim hat sich auf jeden Fall gelohnt und ich bin echt beeindruckt und begeistert. Das einzige „Problem“, was ich nun habe, ist, dass ich das Jugendstilgebäude gar nicht kenne. Folglich muss ich wohl noch mal wiederkommen, um mir beim nächsten Mal wirklich alles anzusehen. Ich muss sagen, ich freue mich drauf und werde dies machen, wenn ich das nächste Mal nach Karlsruhe fahre, denn Mannheim liegt genau auf dem Weg und dann werde ich dort erneut aussteigen. 🙂
#Museum | Kunsthalle Mannheim
#Eröffnung | 1. Juni 2018
#Ausstellung | Jeff Wall (2. Juni – 9. September 2018)
#Eintritt | 10 Euro (1. Mittwoch im Monat frei)
#Öffnungszeiten | Di – So, 10 – 18 Uhr
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Also dafür, dass sich die Kunsthalle Mannheim so offen prästenieren möchte, sind die Eintrittspreise alles andere als inklusiv.
Tja, wobei man sagen muss, dass 10 Euro noch unterhalb des Durchschnitts liegen und zum Glück gibt es 1x im Monat freien Eintritt.
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Sehr schönes Preview, macht Lust auf den neuen „Tempel“. Das letzte Mal, als ich Mannheim besuchte, stand ich da leider vor noch verschlossenen Umbau-Toren 🙂
Nur weil’s grad im ersten Satz steht: In die „Galerie“ ist ein falsches zweites „L“ gerutscht.
Herzlichen Dank für den Bericht!
Der Besuch und das Warten lohnen sich auf jeden Fall! Am 2. und 3. Juni ist der Eintritt auch frei. Ich bin wirklich total begeistert und war mega überrascht. Ich wusste nicht, dass die Kunsthalle eine solch interessante Sammlung beherbergt.
Und das L ist verschwunden. 😉 Danke für den Hinweis.