Muss man sein Ego heutzutage wirklich updaten? Und wieso überhaupt downgraden? Steht das Ich so sehr im Mittelpunkt? Was ist eigentlich aus dem Wir geworden? Ich sehe überall Ausstellungen, die sich mit dem Thema der Selbstdarstellung auseinandersetzen: „Ich bin hier!“ in Karlsruhe, „Hamburg ins Gesicht geschaut“ im Hamburg Museum oder „Egoupdate“ in Düsseldorf.
Die Kultur der Selbstdarstellung steht offensichtlich momentan in einigen Museen im Mittelpunkt. Jedoch muss man wohl zwischen Portraits und Selfies differenzieren, ebenso zwischen Zwangsaufnahmen oder anderen Selbst-Bildnissen. Aber nicht nur in Museen, im Netz ist das Thema der Selbstdarstellung ebenso raumeinnehmend wie im analogen Bereich. Auf dem Blog vom Monopol-Magazin analysiert Anika Meier „Warum Museumsbesucher gerne Fotos von sich teilen“, Michael Kohler vom art-magazin stellt die Frage „Teilt sich die Welt bald in Exhibitionisten und Voyeure?“
Ich gebe zu, ich hab kein Wort von unserem sehr schnellen Rundgang durch die Ausstellung mitbekommen. Stattdessen stehe ich vor zig Selbstportraits aus dem Netz. Ja, es ist eine Ausstellung, die aus dem Digitalen ins Analoge geholt wurde, selbstverständlich gut kuratiert. Ich gebe zu, ich gucke mir eher selten Selfies von fremden Menschen an, darum kann ich den gesamten Hype nicht nachvollziehen. Ich erkenne auch nicht die Werke, die ein viraler Hit sind. Stattdessen gucke ich mir verwirrt Selfies oder #artselfies von anderen Menschen an. Darunter sind auch ziemlich viele witzige Bilder, aber einen Zugang zur Ausstellung finde ich nicht. Selbst als ich auf der „Fußrampe“ stehe, bin ich perplex. In meinem Kopf ein einziges Fragezeichen.
Alain Bieber erklärt uns, dass es noch einen zweiten Teil gibt, in der ersten Etage dreht sich alles um das „Downgraden“. Sich selbst im Netz downgraden? Ja, auch das gehört dazu. Menschen, die sich ungeschminkt zeigen, die zum Teil die harte Realität dar- oder nachstellen. Klingt irgendwie logisch. Warum sollte es immer nur die schöne heile Welt geben, gerade im Netz hat man die Möglichkeit, Themen von vielen Seiten zu beleuchten – und sich selbst auch.
Am Ende stehe ich vor der Fotofix-Box und – betrete sie nicht. Ich stehe vor einigen Spiegeln, die vermutlich dazu dienen, die Besucher zu einem Selfie zu animieren. Klar, auch ich stehe davor und zücke unweigerlich mein Handy. Ist es ein Reflex? Aber ich publiziere es nicht. Warum nicht? Ich mag einfach keine Selfies, weder von mir noch von anderen. „Es ist zu einem neuen, visuellen Genre geworden – einer Form des Selbstportraits, das sich formal von allen anderen in der Geschichte unterscheidet“, erklärt Jerry Saltz in der zahlreichen Artikel im Ausstellungskatalog. Ich bin erst bei dem zweiten Artikel, aber ich mag den Katalog jetzt schon, weil es inhaltlich ein spannendes Thema ist, von dem ich keine Ahnung habe.
Bin ich nun Voyeur oder Exhibitionist und/oder Künstler? Vermutlich irgendwie alles. Unsere Kultur verändert sich mit den technischen Möglichkeiten. Erlernen wir die Techniken, stehen uns neue Optionen der (Selbst-) Darstellung zur Verfügung. In diesen Tagen wurde ich von dem ein oder anderen auf die App KIWI aufmerksam gemacht. Hier geht es im weitesten Sinne ebenfalls um Selbstdarstellung. Fragen beantworten! Seine Meinung sagen, Fragen stellen. Für Firmen in Zukunft ein Mekka der persönlichen Daten. Ich werde weiterhin sehr skeptisch sein, auch wenn ich sehr neugierig bin und gern neue Apps teste.
Ich bin gespannt, was 2016 noch so alles kommen wird!
Wer sich die Ausstellung „Egoupdate“ noch ansehen möchte, sollte sich beeilen, das NRW Forum zeigt die Ausstellung bis zum 17. Januar 2016.
PS: WC-Anlagen scheinen generell eine beliebte Selfie-Station zu sein. Ich erinnere mich an die Kunsthalle Bremen, die ebenfalls eine Selfie-Gelegenheit auf dem Damen-WC anbot.
Herzlichen Dank an Museum Kunstpalast für die Einladung zur Bloggerreise nach Düsseldorf!
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